Lettre de Max Deri à Karl Marschütz, père de Léo.
Max Deri : critique et historien d'art allemand, né en 1888 à Pressburg (aujourd'hui Pozsony en Hongrie), mort en 1938 à Los Angeles, Californie.
(Version originale en langue allemande)
Berlin W 50, den 31 Januar 1926
Spichernstrasse
Sehr geehrter Herr Marschütz,
Gelegentlich eines Vortrags, den ich in Nürnberg hielt, hörte ich zuerst von Ihrem Sohne Leo. – Er war nun bei mir und hat mir seine Zeichnungen und Pastelle gezeigt.
Ich bin ein alter Hase und habe in meinem Leben schon viel gesehen. Namentlich viele Zeichnungen junger Künstler, denn es vergeht wohl kaum eine Woche, dass nicht eines der jungen “Genies“ zu mir kommt, mir seine Blätter vorzulegen. – Und da ja kein Mensch etwas dafür kann, wie begabt oder wie unbegabt er auf die Welt kommt, so ist es oft schwer die Wahrheit zu sagen, ohne dass man allzu wehe tut. – Denn Künstler soll nur der werden, der wirklich weit über Durchschnitt begabt ist. Sonst ist es ein elendes Leben und ein noch elenderes Brot.
Wozu noch kommt, dass man ja aus der Erfahrung heraus und weil man schon so manchen hat werden oder verderben sehen, sich eine gewisse Sicherheit des Urteils zutraut, dass aber doch immer diese Sicherheit eine ziemlich relative ist, weil der möglichen Verstickungen in diesem Leben viele sind und zu einem glatten Entwicklungswege, auch bei vorhandenem Talente, so mannigfache Erfordernisse vonnöten sind, die selten nur vereint vorkommen.
Um nun Künstler zu werden, da gehören meiner Erfahrung nach vorest drei Sachen dazu. Erstlich die angeborene rein technische Begabung. Die allein machts aber nicht aus. Man kann ein famoser Techniker etwa des Klavierspiels sein und deshalb noch lange nicht ein grosser Künstler. Denn zweitens gehört dazu die rein menschliche Veranlagung. Mancher kann etwas, ist aber nichts. Und wenn er nichts ist, kann er mit seiner ganzen Technik nichts anfangen, weil das, was er malt oder dichtet oder komponiert, keine Seltenheit oder Intensität, also keine Qualität hat. So muss einer etwas können und er muss rein menschlich etwas sein; dann kann man ihm eine günstige Prognose stellen.
Drittens aber, um etwas zu können, braucht man Zeit und um etwas zu werden, braucht der Künstler rein als Mensch etwas – und nicht allzuwenig – „Sonne“. – Er muss in langsamer Entwicklung stets wachsen können, wie alles, was in der Natur was rechtes werden will. Und nicht nur der Künstler, auch der Wissenschaftler braucht das. Wenn etwa, um von mir zu sprechen, ich nicht bis bis zu meinem 30 Lebensjahre nichts anderes getan als studiert hätte, ich glaube nicht, dass aus mir geworden wäre, was ich nun einmal – mehr als man hat,
kann man nicht geben – geworden bin.
Und diese lange Abhandlung hat einen kurzen Sinn : er zielt auf Ihre Tasche.
Ich weiss von Ihrem Sohne, dass Sie ihm bisher die rein materielle Möglichkeit geboten haben, sich zu entwickeln und in Ruhe werden zu lassen, was in ihm stecken mag. Und ich weiss auch von ihm, dass Sie nicht daran denken, ihn vorerst aus seiner sorglosen Arbeitsbahn zu nehmen. Immehin aber weiss ich auch, dass jedem Vater, -- es war auch bei meinem so – eines Tages der Gedanke kommt, dass der Junge vielleicht nun gerade dadurch, dass man ihm die Lebenssorgen abnimmt länger als anderen Menschen, in ein schliddern und ernstloses Leben kommen könnte. -- Ich habe meinem Vater immer wieder überzeugen können, dass diese Sorge bei mir überflüssig war und habe grossen, grössten Lebensnutzen davon gezogen. - Denn wenn ich mich heute, im Unterschied von meinen Berufsgenossen, in vier bis fünf Wissenschaften einigermassen auskenne und dementsprechend arbeiten und wirken kann, so kann ich das nur, weil ich eben lange sorgenlose Jahre auf das Studium verwendet habe, wo andere, weniger glücklich bevaterte, längst in der Arbeitsfrohn des Tages sich zum grossen Teil verbrauchen mussten.
Nun halte ich aber Ihren Sohn Leo – jeder Mensch kann irren, ich glaube es aber diesmal von mir nicht, -- für einen jener glücklich Geborenen, die weit über den Durchschnitt hinaus begabt sind. Und zwar nicht nur als rein technischer Handwerker der Kunst, sondern eben auch als Mensch. Wir warten seit langer Zeit, -- und ich im besonderen – auf frische, neue, wirklich wesentliche Begabung in der Malerei. Wir finden kaum etwas. Ich glaube nun, dass Ihr Sohn zu den „Kommenden“ mindestens in dem Sinne gehört, dass er sich in die erste Reihe der Jungen stellen wird, wenn er Gelegenheit hat noch einige Jahre -- zumindest drei oder mehr – nur und nur der technischen und rein menschlichen Ausbildung seines Künstlertums zu leben.
Zu diesem Ihnen zuzureden, Sie in ihrer Absicht zu stärken Ihren Sohn den reinen Malerberuf einschlagen zu lassen, dies ist der Zweck dieses Briefes. Soweit meine Erfahrung reicht glaube ich sagen zu können, dass da etwas Besonderes wird, im Keim nicht nur, sondern schon in der Knospe da ist. Und dass es reiche Frucht verspricht, so man es in Ruhe wachsen und weiter werden lässt. Ich möchte Ihr Zutrauen stärken, dass es sich bei Ihrem Sohn nicht nur um eines jener häufigen Talente des Malens handelt, die dann ihr Leben bei Porträts und Landschaften und Stilleben verbringen, sondern dass er, wenn es so weiter wird, wie er bisher gegangen, was ganz Besonderes werden und schaffen wird.
Ich habe Ihrem Sohne versprochen, Ihnen diese meine Ansicht, die ich ihm ins Gesicht sagte, auch zu schreiben, und würde mich freuen, wenn mein Wort bei Ihnen zur Geltung gelangte.
Mit den besten Empfehlungen
Ihr ergebener
gez. Max Deri
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